Diese Frage stellte schon in den 80er Jahren Prof. Haller in seinem Forschungsprojekt „Assekuranz 2000“. Und heute ist sie zeitgemäßer denn je. Verlangt der § 61 VVG vom Vermittler doch, seine Kunden nach deren Wünsche und Bedürfnisse zu befragen, bevor eine qualifizierte Beratung stattfindet. Nur, welcher Kunde kann dies sofort und konkret sagen? Also ist es wichtig, sich diesem Thema mit einem systemischen Beratungsmodell zu nähern.
Es braucht zuerst ein klar beschriebenes System, in dem ich mich als Berater bewegen muss. In der heutigen Zeit hilft aber auch kein Modell, kein System etwas, wenn ich mich nicht an den Kundenerwartungen orientiere, denn der Schlüssel zur Steigerung der Kundenzufriedenheit liegt im Grad der Erfüllung der echten Kunden- bedürfnisse und –erwartungen. Was aber erwarten Kunden? Kunden erwarten in erster Linie Fairness sowie individuelle und empathische Betreuung. Fairness verstanden in den Attributen kompetent, zuverlässig und schnell. Individuelle Betreuung heißt, in regelmäßigen persönlichen Gesprächen zu erfahren, ob der früher ermittelte Bedarf unverändert besteht oder ob es Änderungswünsche gibt.
Empathische Betreuung heißt, sich in den Kunden hinein versetzen zu können, seine Gedanken und Gefühle nachvollziehen zu können. Ziel ist also die Optimierung des Beratungsprozesses, um den Erfolg des Vermittlers zu erhöhen, durch Steigerung der Kundenzufriedenheit. Dafür braucht es ein konkretes Instrumentarium, um die Beziehungen zum Kunden gut entwickeln und effektiv gestalten zu können.
Hier setzt das Modell des systemischen Beratungsansatzes an. Dazu vorab einige Begriffserklärungen: Ein System wird verstanden als ein konkreter Ausschnitt aus der Praxis, in der Interaktionen stattfinden, also Prozesse ablaufen. Unter einem Prozess versteht man eine Folge logisch zusammenhängender Aktivitäten zur Erstellung einer Leistung, die einen Kundennutzen erzeugt.
Grundlage und Ziel der Steuerung von Prozessen ist es, eine stringente Kundenorientierung zu erreichen und sämtliche Prozesse an die Wünsche der Kunden anzupassen. Dabei geht es um die Optimierung der Erfolgshebel (Wertschöpfungskette) hinsichtlich Qualität (Fehlerfreiheit), Zeit (Durchlaufzeiten Reduzieren) und Kosten (Prozesskosten reduzieren).
Erst die Aufteilung der gesamten Tätigkeiten in Prozessabschnitte macht eine Delegation vieler Aufgaben an den Vertriebsinnendienst möglich. Wenn ich das Thema in die Abschnitte
- Adresse qualifizieren / Termin generieren
- Vorbereitung A-Termin
- Durchführung Analysegespräch
- Nachbereitung A-Termin / Vorbereitung B-Termin
- Durchführung Beratungsgespräch
- Nachbereitung B-Termin
aufteile, erhalte ich klare Zuständigkeiten für den Innendienst und für den Außen- dienst. Mittels Checklisten und genauer Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte kann ich qualitätsgesichert die Arbeiten an meine Mitarbeiter delegieren. Und so kann sich der Außendienst das konzentrieren, was seine Kernkompetenz ist: beraten und verkaufen.
Früher war Verkaufen - so meint zumindest mancher - einfacher.
Einfacher vielleicht nicht, aber anders. In der Regel kam man mit einem Gespräch aus und konnte sofort zum Abschluss kommen. Heute braucht es in der Regel 2 Termine, um bei einem Kunden- insbesondere bei Neukunden- das Thema richtig aufzuarbeiten, nämlich einen A-Termin (nennen wir es das Analysegespäch) und einen B-Termin (nennen wir es das Beratungsgespräch).
Auch in den beiden Abschnitten des Verkaufsprozesses bedarf es klarer Strukturen und Schrittfolgen. Während im ersten Abschnitt die Phasen
- Eröffnung / Small Talk
- Vermittlervorstellung /
- Wünsche und Bedürfnisse gemeinsam erarbeiten
- Aufnahme der Ist-Situation
- Auftragsklärung
das Gebot der Stunde sind, braucht es im zweiten Abschnitt folgende Vorgehens- weise,
- Eröffnung / Auftragswiederholung
- Analyseergebnis darstellen
- Lösungsvorschlag / Angebotserläuterung
- Abschluss / Beratungsdokumentation
- Betreuungsvereinbarung / Empfehlungsnahme
um dem Kunden in diesem für ihn ungewohnten und damit auch schwierigen Thema mit auf den Weg zu nehmen.
Im Analysegespräch muss ich gemeinsam mit dem Kunden das Thema „Wünsche und Bedürfnisse“ erarbeiten. Hierbei muss ich von den Motiven der Kunden kommen. Sicherheit als finanzielles Hauptanliegen und das persönliche Risiko zu minimieren sind die zentralen Anliegen der Kunden sowie für künftige Lebens- abschnitte vorzusorgen. Zielführend ist es deshalb, den gesamten Komplex in Beratungsfelder aufzuteilen, in der Regel 3 bis 5. Wir empfehlen, die Analyse mit 4 Beratungsfeldern durchzuführen
Die Beratungsfelder können an den Lebensphasen ausgerichtet sein, aber auch in jedem Feld zentrale Themen der individuellen Daseinsvorsorge abdecken. Jedes Beratungsfeld ist mit mehreren Beratungsthemen belegt, zu denen der Kunde seine momentane Priorität bestimmen muss. Habe ich viele Beratungsfelder benötige ich wenige Beratungsthemen pro Beratungsfeld. In unserem Modell komme ich mit 2 bis 3 aus. Arbeite ich nur mit 3 Beratungsfeldern benötige ich vielleicht 4 bis 5 Beratungsthemen. Zu den erkannten Beratungsthemen werden dann konkrete Ziele erarbeitet, denn dadurch entsteht ein Anliegen – die Absicht bzw. der Wunsch – eine bestimmte Änderung vorzunehmen. Auf dieses Ziel bzw. Anliegen kann ich dann nach der weiteren Analyse der Ist-Situation meine Beratung aufbauen.
Im Beratungsgespräch (dem B-Termin) muss dann die Lösung und nicht das Problem im Vordergrund stehen. Selbstredend ist, dass ich den im Analysegespräch mitgenommenen Auftrag wiederhole, meine vorgenommene Analyse detailliert darstelle und daraufhin mein Angebot erläutere. Das Kaufverhalten der Kunden hängt wesentlich davon ab, wie es mir gelingt, die echten Kundenbedürfnisse und – erwartungen zu erfüllen. Zu den Einflussfaktoren gehört es auch, einen angemessenen Rahmen für eine zufriedenstellende Beratung zu schaffen und die Effektivierung der Beziehung zum Kunden.
Wenn dann der Abschluss getan ist und die weiteren Formalitäten erledigt sind, gehört die Betreuungsvereinbarung zum Pflichtenheft eines jeden erfolgreichen Verkäufers. Jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt gekommen, um den Kunden gezielt nach Empfehlungsadressen zu fragen. Aber auch hier bitte mit einem eigens dafür entwickeltem System.
Jetzt hat der Verkäufer seine Arbeit getan, die nachfolgenden Tätigkeiten werden dann vom Vertriebsinnendienst gemäß Checkliste und Arbeitsbeschreibung erledigt. Die hier beschriebene Vorgehensweise führt für den Vermittler zu mehr zufriedenen Kunden, zu einer höheren Abschlussquote und zu einer längeren Bindung der Kunden an den Vermittlerbetrieb.
Hartmut Pfaffinger