Immer wieder erlebe ich in der Praxis folgende Situation: Ein Kunde ruft in der Agentur an und hat eine kurze Frage bzw. will eine Information übermitteln. Dieser Vorgang wird i. d. R. schnell und präzise erledigt. Das ist es aber dann auch.
Wenn ich dann die Innendienstmitarbeiterin oder den Innendienstmitarbeiter frage, ob das denn alles sei, werde ich i. d. R. mit irritierten Augen angesehen. Meine Frage, warum denn jetzt nicht gleich für den Außendienstmitarbeiter ein Besuchstermin vereinbart wurde, wird vielfach mit Unverständnis aufgenommen. Das ist aber auch nachvollziehbar, wenn man sich dann die Arbeitsweise vieler Agenturen ansieht.
Ziel jeder Agentur sollte es sein, aus einem Kundenkontakt auch einen Kundentermin zu machen. Das geht aber nur, wenn ich bestimmte Dinge beachte und umsetze. Zuerst einmal bedarf es einer Kundenklassifizierung, um schon bei der Kontaktaufnahme erkennen zu können, um was für einen Kundentyp es sich bei dem Anrufer handelt. Agenturen müssen sich also fragen: „Sind alle Kunden entsprechend ihrem Kundenwert und Potenzial klassifiziert, und ist dies allen Mitarbeitern bekannt?“ Ist das in weniger als 50 % der Fälle so, sprechen wir von einer schlechten Ausprägung in der Arbeitsweise. Bei einem Wert bis zu 90% von einer mittleren Ausprägung und erst wenn mehr als 90 % (am besten alle Kunden) klassifiziert sind, sprechen wir von einer starken Ausprägung in der Agentur.
Oftmals kommt auf diese Fragestellung der nächste Einwand. „Ich habe doch gar keine Zeit meine tausend Kunden zu klassifizieren.“ Wenn ich dann höre, dass der Agenturinhaber schon seit fünf Jahren diesen Kundenbestand betreut, dann erinnert mich das an die zwei Waldarbeiter, die mit stumpfer Säge an einem Baum sägen. Darauf angesprochen, dass es doch sinnvoller wäre, die Säge erst zu schärfen und dann weiterzuarbeiten, kommt der Hinweis, dafür haben wir keine Zeit. Genauso ist es in vielen Agenturen mit der Kundenklassifizierung und den darauf notwendigerweise abgestellten Prozessen. Als 1. Schritt mache ich eine maschinelle Kennzeichnung meiner Kunden. Und damit ich diese nicht verwechsle mit schon meinen bereits klassifizierten a-, b-, c-Kunden, bekommen diese die Kennzeichnung x, y, z. Die maschinelle Kennzeichnung darf aber nur als Übergangszeit gesehen werden. Letztendlich bedarf es nach dem Kennenlernen der subjektiven Kennzeichnung durch den Kundenbetreuer.
Wenn also unsere Innendienstmitarbeiterin beim obigen Beispiel bei Anrufannahme sofort ins EDV-System sieht und nach der Kundenklassifizierung schaut, kann sie schon nach Erledigung des Geschäftsvorfalls die notwendigen Schritte einleiten, z. B. bei einem x-, y-, z- Kunden sofort einen Termin für den Außendienstler zu machen (da ihn die Agentur ja noch nicht kennt), bzw. bei einem a-, b-, c-Kunden nachsehen, wann im System der nächste Termin hinterlegt ist, um dieses Thema gleich wieder anzusprechen.
Der 2. Schritt ist dann ein Leistungsversprechen für die Kundenklassen festzulegen. In der Kommunikation kann man schlecht sagen, Sie sind ein a-, b-, c- bzw. x-, y-, z-Kunde. Hier empfiehlt es sich klare Begriffe zu finden, die man auch gegenüber dem Kunden kommunizieren kann. Wir empfehlen hier die Reihenfolge Exklusivkunde, Stammkunde, Basiskunde.
Kompetente Betreuung beginnt mit der Information an die Kunden, welchen Service sie erwarten dürfen. Jedem Kunden werden zu Beginn der Kundenbeziehung die Leistungen vorgestellt, die für Exklusivkunden erbracht werden. Er kann und soll entscheiden, ob er diese
Leistungen und das angebotene Betreuungskonzept so haben will. Deshalb in der Praxis meine nächste Frage an die Agenturinhaber: „Sind für alle Kundenklassen eindeutige Betreuungsstandards definiert und werden diese durchgehend von allen gelebt?“. Wenn das zu 50 % bei den Kunden der Fall ist, sprechen wir von einer geringen Ausprägung, ab 90 % definieren wir eine starke Ausprägung.
Kunden haben Anspruch auf Betreuung. In der Praxis hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, die Kunden in drei Klassen einzuteilen, um den Betreuungsaufwand für die Agentur in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten. Deshalb ist es erforderlich, die Kunden unterschiedlichen Betreuungskategorien (Klassen) zuzuordnen.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis: Ein Kunde ruft an und möchte, dass kurzfristig ihm eine grüne Versicherungskarte vorbeigebracht wird, da er morgen in den Urlaub fahren will. Auch hier wieder: Sind die Prozesse organisiert, kann man entsprechend reagieren? Sind sie nicht festgelegt, und ich habe es immer so getan, werde ich vielleicht bei einem c-Kunden eine Dienstleistung erbringen, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnet. Die richtige Antwort bei einem x-, y- oder z-Kunden muss heißen: „Sehr geehrter Herr Kunde, diese Dienstleistung können wir i. d. R. nur unseren Exklusivkunden erbringen. Wir haben mit Ihnen noch gar nicht vereinbart, wie Sie künftig betreut werden wollen. Ich schlage deshalb vor, dass wir gleich nach Ihrem Urlaub einen Termin vereinbaren, um dieses Thema einmal zu besprechen. Wann hätten Sie denn einmal konkret Zeit für uns?“ Sollte der Termin nicht zustande kommen und der Kunde wieder mit einem solchen oder ähnlichen Wunsch anruft, dann muss die Formulierung vom Innendienst lauten: „Sehr geehrter Herr Kunde, gerne können Sie die grüne Versicherungskarte bei uns im Büro abholen, oder wir schicken sie Ihnen auch gerne auf dem Postweg zu, aber die persönliche Überbringung ist uns leider nicht möglich.“
Wenn ich also das Thema Kundenklassifizierung, Betreuungsstandards und Leistungsversprechen angehen will, brauche ich erst einmal eine Selbsteinschätzung, wo ich mit meiner Agentur stehe. Die folgende Abbildung gibt einen ersten Überblick über die relevanten Fragestellungen.
Erfüllungsgrad | |||
voll | teilweise | kaum | |
Wir haben kundenorientierte Leitlinien und die Vision,
Kunden in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen. |
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Die Kunden kennen unsere Serviceleistungen und honorieren
sie entsprechend. |
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Die Ergebnisse der Kundenzufriedenheit werden systematisch analysiert und die daraus resultierenden
Verbesserungsvorschläge schnell umgesetzt. |
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Wir geben den Kunden das Gefühl, dass wir gerne für sie da
sind. |
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Der Kundenservice, die Kundenberatung sowie die sonst für unser Geschäft notwendigen Kriterien sind exzellent. | |||
Telefonnotizen werden grundsätzlich auf einem vorbereiteten Formular/Block (gerne auch über die EDV) vollständig aufgenommen und unverzüglich an die zuständige Person
weitergeleitet und von dieser erledigt. |
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Es ist allen Mitarbeitern bewusst, dass Schnelligkeit, Fehlerfreitheit und Professionalität heute genauso wichtig ist
wie der persönliche Kontakt zum Kunden. |